Ausschreibungen sind für die Versorgung von Patienten mit schlafbezogenen Atemstörungen ungeeignet!
Ein Positionspapier der Fachgesellschaften zur schlafmedizinischen Versorgung
In Anbetracht der immer mehr um sich greifenden Ausschreibungspraxis von Krankenkassen bei der Versorgung von Patienten mit schlafbezogenen Atemstörungen hat die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP), dem Verband Pneumologischer Kliniken (VPK) und dem Bundesverband der Pneumologen (bdP) ein Positionspapier zu dieser Problematik herausgegeben. Denn die Fachgesellschaften sehen in diesem Ausschreibungsprocedere erhebliche Eingriffe in die Qualität der Betreuung, Therapieeinleitung, Hilfsmittelversorgung und Nachsorge von Schlafapnoe-Patienten.
Unbehandelte oder inadäquat therapierte schlafbezogene Atemstörungen bringen ein hohes Risiko mit sich: Sie beeinträchtigen nicht nur die Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz und im Straßenverkehr und erhöhen die Unfallgefahr, sondern stellen auch einen unabhängigen Risikofaktor für Bluthochdruck, Vorhofflimmern, Herzinsuffizienz, Schlaganfall und Diabetes dar. Eine adäquate Versorgung dieser Patienten ist daher sehr wichtig.
((ZÜ)) Diagnostik und Therapieeinleitung: ambulant vor stationär?
Der Grundsatz „ambulant vor stationär“ der Krankenversicherungen wird auch in der schlafmedizinischen Versorgung zur Anwendung gebracht. Dies hat dazu geführt, dass in den letzten Jahren zunehmend stationär erbrachte Leistungen im Zusammenhang mit der Polysomnografie nicht vergütet werden. Die Krankenkassen haben sich eine raffinierte Strategie ausgedacht, um die Diagnostik und Therapieeinleitung schlafbezogener Atemstörungen ökonomisch zu beschneiden: Die Kassen definieren diese kurzerhand als ambulant zu erbringende Leistung und drücken auf diese Weise die Kosten.
Die Begriffe „ambulant“ und „stationär“ sind für die Betreuung von Patienten im Schlaflabor jedoch nicht geeignet. Denn die Polysomnografie ist eine komplexe Diagnostik und muss während der Nacht durch Fachkräfte überwacht werden. Außerdem ist in klinischen Schlaflaboren jederzeit eine medizinische Unterstützung gegeben, die im Notfall lebensrettend sein kann.
((ZÜ)) Stufendiagnostik muss durch flexibleres Procedere ersetzt werden
Im Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) aus dem Jahr 2004 wird ein sehr starres diagnostisches und therapeutisches Procedere vorgegeben: Nach der Anamnese (Erhebung der Krankheitsgeschichte) und der klinischen Untersuchung beim Hausarzt muss der Patient zunächst einmal zu einer kardiorespiratorischen Polygrafie an einen niedergelassenen Pneumologen überwiesen werden. Erst wenn sich dabei der Verdacht auf Schlafapnoe erhärtet, erfolgt eine kardiorespiratorische Polysomnografie im Schlaflabor.
Dieses starre Schema wird der Vielfalt schlafbezogener Atemstörungen und ihrer Begleiterkrankungen nicht gerecht. Die Fachgesellschaften fordern daher, dass dieses Procedere unterschiedlichen Risikosituationen und Krankheitsbildern angepasst werden sollte. Als entscheidendes Kriterium sollte dabei die Frage dienen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit einer obstruktiven Schlafapnoe beim jeweiligen Patienten ist. Von einer hohen Wahrscheinlichkeit ist auszugehen, wenn der Patient schnarcht, wenn bei ihm fremdbeobachtete Atmungsunregelmäßigkeiten im Schlaf auftreten und wenn er unter Tagesschläfrigkeit leidet. In so einem Fall kann die Therapie direkt nach einer positiven Polygrafie eingeleitet werden, und zwar im Schlaflabor unter polysomnografischer Kontrolle. Man braucht dann also keine diagnostische Polysomnografie-Nacht mehr.
Da für die Durchführung einer Polygrafie jedoch oft monatelange Wartezeiten bestehen, ist es in Ausnahmefällen sinnvoll, Patienten mit hoher Schlafapnoe- Wahrscheinlichkeit direkt in ein Schlaflabor einzuweisen, wenn sich dadurch die Therapieeinleitung beschleunigen lässt.
Eine diagnostische Polysomnografie wäre laut diesem Positionspapier nur noch erforderlich:
• bei niedriger Wahrscheinlichkeit für eine obstruktive Schlafapnoe
• zur Differenzialdiagnose
• bei Vorliegen einer Diskrepanz zwischen Anamnese und Polygrafie
• zur Unterscheidung zwischen obstruktiver und zentraler Schlafapnoe
• wenn die Polygrafie keine klaren Ergebnisse zum Typ und Schweregrad der schlafbezogenen Atemstörung des Patienten ergeben hat
((ZÜ)) Risikopatienten gezielt auf Schlafapnoe screenen
Es gibt bestimmte Erkrankungen, die häufig mit schlafbezogenen Atemstörungen einhergehen. Diese sind:
• Bluthochdruck mit fehlender nächtlicher Druckabsenkung oder schlecht einstellbarer Bluthochdruck
• Vorhofflimmern
• Herzinsuffizienz
• koronare Herzkrankheit (Verengung der Herzkranzgefäße durch arteriosklerotische Ablagerungen)
• Verengung der hirnversorgenden Blutgefäße oder bereits durchgemachter Schlaganfall
Patienten mit solchen Erkrankungen sollten gezielt auf das Vorliegen einer schlafbezogenen Atemstörung gescreent werden, da solche Störungen die Prognose der Patienten verschlechtern.
Bei zusätzlichen Symptomen, die auf eine schlafbezogene Atemstörung hinweisen, sollte je nach Schwere des Verdachts entweder eine diagnostische Polygrafie oder Polysomnografie durchgeführt werden. Ansonsten ist als Suchtest ein Ein- oder Zweikanalscreening zu empfehlen.
Auf diese Weise könnten viele bisher unerkannte schlafbezogene Atemstörungen entdeckt und die Patienten einer weiterführenden schlafmedizinischen Diagnostik und Therapie zugeführt werden.
((ZÜ)) Therapie und Versorgung
Die positive Überdruckbeatmung (CPAP) ist der Therapiestandard bei Patienten mit obstruktiver Schlafapnoe. Bei der Therapieeinstellung sollte eine strukturierte Patientenschulung im versorgenden Schlaflabor erfolgen. Außerdem sollte der Patient aus Compliance-Gründen in diesem Schlaflabor auch gleich sein definitives Therapiegerät erhalten. Eine zeitliche Verzögerung durch Genehmigungsprozesse oder durch das Procedere der Geräteversorgung ist nicht zu akzeptieren, da gerade die ersten Tage für die Langzeit-Compliance des Patienten von entscheidender Wichtigkeit sind. Auswahl und Erstanpassung von Gerät und Maske müssen durch einen Schlafmediziner erfolgen. Die Erhebung des Verdachts auf eine schlafbezogene Atemstörung, die Veranlassung der weiteren Diagnostik und das Screening bei asymptomatischen Patienten mit Risikofaktoren können vom Hausarzt durchgeführt werden.
Die gesetzlichen Vorgaben des §128 SGB V sollten dementsprechend angepasst werden.
((ZÜ)) Nachkontrolle
Es sollten regelmäßig Nachuntersuchungen zur Kontrolle der Therapie stattfinden, wie dies auch bei anderen technologiebasierten Therapien (z.B. der Implantation von Herzschrittmachern) üblich ist. Vor allem im Hinblick auf die Compliance-Probleme bei einer PAP-Therapie sind solche Nachuntersuchungen dringend erforderlich.
Eine erste Kontrolle sollte nach zwei bis sechs Wochen mithilfe zumindest einer Sechs-Kanal-Polygrafie erfolgen. Weitere Kontrollen sind im Abstand von jeweils einem Jahr sinnvoll. Bei Veränderung der Indikation oder ungenügender Wirksamkeit der Therapie sind vorzeitige Kontrollen notwendig.
Im Rahmen dieser Kontrolluntersuchungen sollten die Atmung im Schlaf, die Nutzung des Geräts und die Tagessymptomatik des Patienten sowie die Funktion von Gerät und Maske erfasst werden.
((ZÜ)) Austausch und Umversorgung
Bei einer APAP-, BiPAP- oder ASV-Therapie ist eine Umversorgung mit Geräten anderer Bauart, eines anderen Typs oder Herstellers nur nach einer neuen Therapieeinleitung im Schlaflabor möglich. Bei einer Umversorgung mit einem anderen CPAP-Gerät soll der betreuende schlafmedizinisch qualifizierte Arzt über die Vorgehensweise entscheiden.
((ZÜ)) Unterkieferprotrusionsschienen und andere Therapieoptionen
Laut Positionspapier kann bei obstruktiver Schlafapnoe mit einem Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI) unter 23 und einem Body-Mass-Index unter 30 kg/m2 eine Unterkieferprotrusionsschiene zum Einsatz kommen. Auch dieser Therapieeinleitung muss jedoch eine vollständige schlafmedizinische Untersuchung einschließlich Polysomnografie vorausgehen; eine Polygrafie allein reicht nicht aus. Wichtig ist außerdem ein Aufklärungsgespräch, in dem der Patient über die Vor- und Nachteile von CPAP-Therapie und Protrusionsschiene informiert wird.
Auch bei schlechter CPAP-Compliance kann die Umstellung auf eine Schienentherapie sinnvoll sein, allerdings nur bei einem AHI unter 30 und erst nach Optimierung der Maske und erneuter intensiver Schulung von Patient und Angehörigen. Ist die schlechte Compliance auf eine Angststörung (Panikattacken oder Klaustrophobie unter der Maske) zurückzuführen, so sollte eine psychiatrische Diagnostik durchgeführt und die Angststörung behandelt werden. Erst wenn dies nichts nützt, kann der Patient auf eine Unterkieferprotrusionsschiene umgestellt werden.
Die Versorgung mit der Schiene sollte durch einen schlafmedizinisch qualifizierten Zahnmediziner erfolgen. Danach ist eine Therapie-Überprüfung durch einen schlafmedizinisch geschulten Arzt einschließlich einer nächtlichen Messung (mindestens sechs Kanäle) notwendig. Außerdem muss die Wirksamkeit der Schienentherapie innerhalb von ein bis drei Monaten kontrolliert werden, und zwar ebenfalls durch einen schlafmedizinisch geschulten Arzt und mit einer nächtlichen Messung (mindestens sechs Kanäle).
Die Autoren des Positionspapiers fordern, dass die Krankenkassen die Kosten für eine nach diesen Kriterien angepasste Unterkieferprotrusionsschiene übernehmen. Ferner erwähnen sie, dass die Entfernung vergrößerter Gaumenmandeln in Einzelfällen auch bei erwachsenen Patienten mit obstruktivem Schlafapnoe-Syndrom sinnvoll ist. Als neues Verfahren kann, falls eine CPAP- oder Schienentherapie nicht möglich ist, eine Stimulation des Unterzungennervs durch einen implantierbaren Neurostimulator erwogen werden – allerdings nur bei Patienten mit einem AHI von 15 bis 50 und Adipositas Schweregrad 1. (Das entspricht einem BMI von 30 bis 34,9.)
((ZÜ)) Versorgungssituation und Ausschreibungen
Die schlafmedizinische Versorgung in Deutschland ist sehr inhomogen, was u.a. auf das äußerst unterschiedliche Vergütungsprocedere zurückzuführen ist. Die Versuche der Kostenträger, die Preise für Diagnostik und Therapieeinleitung immer mehr zu drücken, werden der Krankheitssituation von Patienten mit Schlafapnoe und vielen anderen Schlafstörungen oder schlafbezogenen Erkrankungen nicht gerecht. Eine ineffektive Therapie oder ein Behandlungsabbruch stellt ein nicht zu unterschätzendes gesundheitliches Risiko dar. Daher sind Ausschreibungen für die Versorgung von Patienten mit schlafbezogenen Atemstörungen ungeeignet.
über BSD und SHG Schlafapnoe/Atemstillstand Iserlohn
Werner Waldmann und Freddy Klahold